Von Peter Hoch
Den maskulinen Konventionen seines Umfelds entspricht Chiron schon im Alter von zehn Jahren nicht. Der sensible und schmächtige Junge, der von allen nur „Little“ genannt wird, erfährt deshalb regelmäßig Erniedrigungen durch die anderen Kinder seines Heimatvororts bei Miami, den ausschließlich Schwarze bewohnen. Auch seine Familie ist ihm keine Hilfe; seine Mutter ist drogenabhängig und sein Vater schon lange nicht mehr da.
Als er wieder einmal gedemütigt wird und in ein unbewohntes Haus flüchtet, beobachtet ihn der Drogenverkäufer Juan, liest ihn auf und nimmt sich auch in Zukunft immer wieder gemeinsam mit seiner Freundin Teresa des verängstigten Jungen an – bis dieser mitbekommt, womit Juan seinen Lebensunterhalt verdient.
Es schließt sich eine spätere Episode aus Chirons Leben an: als Jugendlichen sehen wir ihn an der Highschool, wo er weiter gemobbt wird, aber auch erstmals Gefühle und Sexualität entdecken und erfahren darf, flüchtig, aber nachhaltig. Und dann ist da noch das dritte Filmsegment: Chiron nennt sich nun „Black“ und ist selbst zum Dealer mit harter Schale avanciert, aber noch immer mit weichem Kern, was zunächst nur der Zuschauer ahnt.
Basierend auf dem nie aufgeführten Theaterstück „In Moonlight Black Boys Look Blue“ von Tarell Alvin McCraney erzählt Regisseur und Drehbuchautor Barry Jenkins vom Erwachsenwerden eines Jungen unter schwierigsten Verhältnissen. Dass auch noch ein Coming-Out mitschwingt, gerät in diesem ebenso stilvollen wie wohl auch stilbildenden Drama fast zur subtil inszenierten Nebensache. Blicke sind es, Gesten, Andeutungen am Rande, die einen unmittelbar an Chirons Mannwerdung teilhaben lassen.
Aussparungen gibt es viele und, das ist vielleicht die einzige Schwachstelle des Films, in manchen Passagen wünscht man sich, noch mehr über diesen stillen Menschen zu erfahren, den andere zum Einzelgänger machten – Richard Linklater beispielsweise hatte sich dafür in „Boyhood“ zuletzt deutlich mehr Zeit genommen. Doch andererseits beflügeln vielleicht eben diese Auslassungen die geradezu poetischen Qualitäten von „Moonlight“.
Nie verkommt der für acht Oscars nominierte Golden-Globe-Gewinner zum kitschigen Rührstück oder alternativ bleischweren, faden Sozialtristessewerk. Und immer schwingt auch etwas Hoffnung in den fein komponierten Bildern und Klängen mit, die beim Zuschauer lange nachhallen. \
„Moonlight“
USA 2016 // R: Barry Jenkins
Start: 9.3.
Bewertung der redaktion
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