Giftige Gehässigkeiten und böswillige Beleidigungen stehen bei Besserwisser Erich tagtäglich ganz oben auf der Tagesordnung. Bevorzugte Zielscheibe für Erichs Affronts ist auch am Abend seiner Geburtstagsfeier vor allem Ehefrau Helga. Doch gleich zu Beginn des Festes trudelt bereits eine Absage nach der anderen ein, und als klar wird, dass Helgas Schwester Evelyn und deren tollpatschiger Gatte Hagen die einzigen Gäste bleiben werden, ist ein stürmischer Abend mit Pedant Erich samt Maulgefecht und Raufereien gesichert. Während die liebenswert-scheue Dafne-Maria Fiedler als Helga das Mitgefühl das Publikums auf sich zieht und eine anbetungswürdige Sabine Urban als schlagfertige Evelyn den Launen der „Geburtstagsmumie“ mit ebenbürtigem Sarkasmus entgegensetzt, legt Erichs rabiates Triezen zunehmend tiefsitzende Geheimnisse aus vergangenen Tagen frei, die das Fest im Eiltempo zu einer authentisch-komischen Katastrophe formen. Gekrönt wird die Familienfarce zusätzlich durch die überraschende Anreise der in den USA lebenden Schwiegermutter Hetti (herrlich flink und voller Lebenslust: Renate Fuhrmann), die geradewegs über das Streitszenario hinweghuscht, während sie ihm mit bunten Partyhütchen das letzte visuelle Sahnehäubchen aufsetzt.
Drehbuchautor Nick Walsh übersetzte bereits Joe DiPietros „Noch einmal verliebt“ ins Deutsche, welches erst diesen Sommer im Grenzland deutsche Urraufführung feierte, und beweist mit Griesgram Erich und dessen Geburtstagsspektakel aufs Neue sein Gespür für eigenwillige Possen inklusive des britischen Sinn für freimütige Wortspiele. Frank Voß Interpretation des Familienscheusals ist unverblümt fies und durchschlagend echt und verliert bei Weitem nicht alle Sympathiepunkte an Armin Jungs glorreich-lässige Darstellung des Unfallmagneten Hagen. Denn was beim Ensemble wie eine Eins sitzt, das ist der spritzig-sarkastische Humor. Schlag auf Schlag wird er ausgeteilt, bedient sich Slapstick-Momenten ebenso wie Running Gags und wird mit imposanter Dynamik vor Manfred Schneiders heimeliger Esszimmerkulisse umgesetzt.
Wie bereits bei seiner einnehmenden Umsetzung von „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ Anfang des Jahres, ist es kein klassischer, kein lockerleichter Witz, den Regisseur Uwe Brandt inszeniert. Stattdessen vereint er erneut Humor mit Zynismus, Heuchelei mit der bittersüßen Wahrheit und Liebe mit Schrecken und Härte. In den 90 Minuten Spielzeit regiert der flinke Dialog, bei dem immer erst aufgelacht wird, um kurz darauf vor Erichs zungenfertigen Gemeinheiten zurückzuschrecken. Dass das ein oder andere Lachen einem buchstäblich im Rachen stecken bleibt, birgt den fesselnden Reiz des Stückes. Die Komödie ist hautnah, bis oben hin voll mit Energie und vor allem „anders“, wie auch Brandt sie nennt. Und daher kommt man nicht umhin beipflichtend zu schmunzeln, wenn sie zwischen dem Wortkrieg, den Neckereien und dem Handgemenge beinahe untergehen. Die Worte: „Wir sind halt eine ganz normale Familie.“ /// sh
1.-27.9.
„Genug ist nicht genug“
20 Uhr, Grenzlandtheater
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