Angekündigt war eine konzertante Aufführung von Glucks Oper. Realisiert wurde aber doch eine Inszenierung (Tamara Heimbrock) mit reduziertem Bühnenbild und reduziertem Spiel. Und diese Reduktion gelingt geschickt, sehr ästhetisch und intensiv. Reduziert ist das Bühnenbild (Detlev Beaujean): Zwei Stühle vor zwei riesigen graue Wänden. Durch den Spalt in der Mitte leuchtet strahlendes Licht, zunächst blau, später in höllischem Rot.
Diese Wände sind so ausgeleuchtet, dass ihre Strukturen an Felsen erinnern. Orpheus unterstreicht seinen Entschluss, den Weg in die Unterwelt zu wagen, indem er diese Felsen auseinanderschiebt. In der Hölle werden sie durch die Beleuchtung zu mächtigen, kahlen Betonwänden.
„Reduziert“ ist, wenn man so will, schon das Orchester: Gespielt wird auf originalen Instrumenten. Der Klang des Orchesters (Leitung Justus Thorau) ist weicher, runder, leiser. Manchmal drohen speziell die Traversflöten etwas unter dem Streicherklang unterzugehen, kommen dann aber wieder wunderbar mit ihrem weichen Klang zur Geltung, wenn sich die Streicher zurücknehmen. Ein Höhepunkt: Das Solo der Traversflöte, begleitet vor allem von Streichern, zum „reduzierten“ Spiel von Orpheus und Eurydike: Es ist ihre erste Begegnung in der Unterwelt. Er darf sie nicht anschauen, das war die Bedingung.
Nun sitzen sie auf zwei Stühlen Rücken an Rücken. Ihre Hände schweben umeinander, berühren sich, entgleiten einander, verpassen sich knapp, alles in Zeitlupe, wie losgelöst. Eurydikes Hand entschwebt und es ist, als ob Orpheus Hand dieser Fast-Berührung noch nachspürt, ehe er sie sinken lässt. Auch seine anschließende Arie wird von einem kleinen Ensemble mit Solo-Oboe wunderbar begleitet.
Story
Die Handlung der griechischen Sage ist tragisch: Orpheus wagt es, in die Unterwelt einzudringen, um seine verstorbene Gattin von dort mit der Macht seines Gesanges zurückzugewinnen. Er schafft es, die Furien dort zu erweichen. Bedingung aber ist nun, dass er sich nicht nach seiner Geliebten umdrehen darf, bis er das Sonnenlicht erreicht hat. In der Sage hält Orpheus diese Spannung nicht aus, denn er kann Eurydike weder spüren noch hören. Fast hätte er geschafft, was Menschen unmöglich ist: Mit seiner Kunst Tote wieder lebendig werden zu lassen. Doch er dreht sich um und scheitert.
Bei Gluck ist es Eurydike, die die Spannung nicht aushält: Sie bezichtigt ihren Gatten der Treulosigkeit, will lieber tot bleiben als einem treulosen Mann zu folgen. Und Orpheus, verzweifelt darüber, dreht sich um. Eurydike entschwindet. Aber Gluck war das zu tragisch: Deshalb erscheint Amor und gibt Orpheus seine Gemahlin zurück. Ein Happy End im Glitzerregen.
Gewollter Bruch
Schon die Ouvertüre beginnt fröhlich mit barocken Tänzen. Und so erlebt man den Wechsel zur eigentlichen Handlung als Bruch: Der Chor, schwarz gekleidet, statisch, klagt um Eurydikes Schicksal. Orpheus sitzt zusammengesunken davor. Mit heller, weicher Stimme übertönt er die Klage mit seinem Ruf nach der Geliebten. Eine seltsame Gefasstheit geht von dieser Szenerie aus. Gefasst wahrt er auch die Ruhe im Schmerz, wenn die empörten Furien ihm Höllenqualen androhen. Ruhig bewegt er sich zwischen ihnen, wenn er ihrem Zorn seine Trauer und seine Sehnsucht entgegenhält. Seine lyrische Ruhe ist es, die sie bezwingt.
Patricio Arroyo singt diese Partie mit hellem, warmem Tenor und mit Leichtigkeit. An ein, zwei Stellen bangt man wegen der abverlangten hohen Töne ein wenig mit ihm. In der Auseinandersetzung mit Eurydike, die sein abweisendes Verhalten nicht verstehen kann, gewinnt dann die Verzweiflung Oberhand. Auch Katharina Hagopian als Eurydike verkörpert ihre Rolle überzeugend. Die Inszenierung fand großen Beifall. \hj
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