Einen U-Bahnsteig, den nutzen Personen aller Couleur. Die Nachtschwärmer, die Frühaufsteher, die Touristen. Schlichtweg alle Personen, die in einer Großstadt wie Berlin leben, sei es auf Dauer oder eben nur temporär. Und Neuankömmlinge – die kann ein solches Treiben auf dem Bahnsteig schon mal gut und gerne ein bisschen überfordern. Besonders, wenn man ein junges Mädchen vom Lande ist. Und das ist „das Mädchen“.
Gekommen, um ihren Verlobten zu treffen, hat sie sich im blütenweißen Sommerkleidchen und nur mit einem Rucksack als Gepäck auf in den Großstadtdschungel gemacht – in den von West-Berlin der 80er, denn dort spielt „Linie 1“. Nicht nur die große Liebe sucht sie hier, sondern auch ihren Erfolg als Sängerin. Mit Naivität und zeitgleich einer gehörigen Portion Freischnäutzigkeit lernt sie auf der Suche nach der richtigen U-Bahn nach Kreuzberg eine Vielzahl von Personen kennen. Da wären die Punker, eine Businessfrau, die lieber der Nacht als dem Tag frönt, die Penner, die frühaufstehende Arbeiterschicht, die aufgedrehten Partypeople, die ewig gestrigen Wilmersdorfer Witwen …
Gute-Laune-Lieder wechseln sich mit ernsthaften Zwischentönen ab. Klischeebeladen und doch fein gezeichnet sind die Personen der Das Da-Inszenierung. Die Monotonie des Alltagslebens, die Anonymität der Großstadt, die Flucht ins Nachtleben. An mancher Stelle scheint das fein gezeichnete in eine grotesk-überzeichnete Richtung zu zielen. Beispielsweise, wenn die Wilmersdorfer Witwen (die Witwen von Nazi-Männern) in ihren schwarzen Kostümchen und den grauen Ringellöckchen mit dem Zeigen des Hitlergrußes eher für Gelächter, als für kritisches Hinterfragen sorgen.
Nichtsdestotrotz ist die Inszenierung eine, die Spaß bereitet. Eine Live-Band auf einem Balkon über der Bühne, musikalisch mitreißende Lieder mit durchdachten Choreographien. Insbesondere die Kostümwahl macht den Anschein, man begegne an diesem Abend selbst den Stereotypen der Großstadt – wohlgemerkt denjenigen der 80er Jahre. Und dazu wird durchaus auch tief in die Klischeekiste gegriffen, zum Beispiel …, der in seinem Outfit sehr an Karate Kid erinnert.
Die Darsteller leisten über die zwei Stunden des Stücks wahrhaft tolle Arbeit. Insbesondere Mariyama Ebel, die „das Mädchen“ so naiv und leicht spielt, dass man auf die Bühne rennen, es schütteln und vor sich selbst schützen möchte, und im nächsten Moment so verzweifelt und enttäuscht, dass man sie schlichtweg herzen will. Auch die weiteren Darsteller, allesamt feste Ensemblemitglieder des Das Da, leisten stimmlich und darstellerisch ihr Bestes.
Besondere Erwähnung verdient aber auch das Bühnenbild – das einzige „Relikt“ der Inszenierung des Musicals vor bereits zwölf Jahren. Mit viel Blick fürs Detail wurde das West-Berlin der 80er vor allem durch die Kulisse erschaffen. Ob der U-Bahn-Plan, die Graffiti, die Aufkleber an den Wänden. Für die einen eine Zeitreise zurück, für die anderen ein Einblick in vergangene Zeiten. Zwei Stunden Spielfreude pur, gute Musik und viel zu entdecken. Auch wenn das Ende ein bisschen plötzlich und überraschend kommt: Ein Abend, der sich lohnt. \ cr
diverse Termine (alle ausverkauft, weitere folgen)
„Linie 1“
diverse Uhrzeiten, Das Da Theater
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