Für die Menschen in der Euregio – ganz gleich ob aus Deutschland, Belgien oder den Niederlanden – ist der Westwall ein kollektiver Erinnerungsort aus verwittertem Beton und Stahl. Für die Großeltern besetzt mit Bildern und Gefühlen aus der Zeit des 2. Weltkriegs, für die nachfolgenden Generationen als Landmarke diffuses Symbol für Trennung und Bedrohung, für viele Enkel und Urenkel eine Einladung zum Klettern bei langen Sonntagsspaziergängen.
Im Rahmen von „across the borders“ platziert die Designmetropole Aachen den Westwall symbolisch nun in der Aachener Innenstadt. Am Samstag, den 20. August, werden den ganzen Tag lang zwölf bewegliche „Höcker“ an verschiedenen Stellen Blockaden bilden, sich in den Weg der Passanten stellen, Grenzen ziehen.
Jeder Höcker entspricht in Größe und Aussehen den bekannten vermoosten, Pyramiden ähnlichen Betonklötzen, ist aber aus Sperrholz und mit bunkerartigen Sehschlitzen versehen und wird von jeweils einem Künstler getragen. Die Bewegungen der gesamten Formation werden mit der Choreographin Chantal Heck (Trotz Ensemble, Eupen) zuvor eingeübt.
Ein Akt voller Symbolik, das ist den Machern bewusst, sagt die Mitorganisatorin Patricia Yasmine Graf: „Wir thematisieren damit den Westwall als subversive, als psychologische Grenze.“ Das Nazi-Erbe laste auf den Schultern der Generation der Enkel weniger schwer als es noch bei den Kriegs- und Nachkriegskindern der Fall war. „Wir sind die Enkelgeneration. Wir dürfen das Thema auf diese Art ansprechen.“
Dem Westwall mit Respekt begegnen
„across the borders“-Festivalleiter Rick Takvorian bezeichnet das Projekt als eine künstlerische Intervention, die die Aachener mit ihrer Geschichte, der hiesigen Geographie und der Nachbarschaft zu Belgien und den Niederlanden konfrontiert: „Man kann dem Phänomen Westwall nur mit Respekt begegnen. Man sucht hier einen Weg, damit spielerisch umzugehen.“ Spannend werde sein, wie die Menschen auf die wandelnden Hindernisse reagieren.
Erklärtes Ziel ist es, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Flugblätter informieren über den Westwall und anhand von Fragebögen wollen die neben her laufenden Mitglieder der Designmetropole die Passanten zu Vorurteilen, kulturellem Verständnis und auch zu ihren persönlichen Grenzen interviewen.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Offenheit oder eben den Grenzen im Kopf spiele dabei ebenso eine Rolle wie die Existenz der wirklichen Staatsgrenzen, sagt Fabian Seibert von der Designmetropole: „Wir sehen etwa in Mexiko und Israel, dass das Errichten von Mauern wieder ein Thema ist, nachdem es eine Zeit gab, in der sie gefallen sind.“ Auch mit Blick auf die Entwicklungen im Schengenraum, insbesondere in Dänemark, sei das hoch aktuell.
Die Performance in der Innenstadt im August wird per Video dokumentiert und soll keine Einzelaktion bleiben. Rick Takvorian deutete an, dass auch im Rahmen vom Maastricht 2018 „Walking Westwall“ wieder in Erscheinung treten könnte.
Kulturfestival "across the borders!
Designmetropole Aachen
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