Die großangelegte LuFo-Ausstellung „Nie wieder störungsfrei! Aachen Avantgarde seit 1964“ führt von den wegweisenden Fluxus-Ereignissen an der Aachener Hochschule und dem „Zentrum für aktuelle Kunst - Gegenverkehr“, über den ersten Auftritt der Sammlung Ludwig im Suermondt-Museum im Jahr 1968 bis zur Gründung der „Neuen Galerie“ 1970.
In den 60er Jahren gingen von Aachen Impulse für die zeitgenössische Avantgardekunst aus. Künstler und zusehends mehr Künstlerinnen erwarben sich Freunde und Feinde, provozierten und erweiterten den Begriff von Kunst. In jedem Falle wurde selbst bei den Empörten die Kunst intensiver thematisiert, als es heute der Fall ist. Viele neue Positionen galt es zu erringen, neu zu kombinieren, zu erproben und den neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Dabei entstanden viele individuelle Darstellungsformen, die ein Publikum forderten und überforderten, das mit dem Tempo nicht mitkam, in dem neue Kunstsprachen und Ausdrucksmittel entstanden, die in ihrer Aussage- kräftigkeit erst nachvollzogen und erlernt sein wollen. Mehr Kunst wagen, mehr Öffentlichkeit wagen, mehr Demokratie wagen. Das schuf Erklärungsbedürftigkeit und Diskussionen. Zunächst waren es Studenten, allen voran der damalige ASTA-Kulturreferent Valdis Abolins, der mit Mitstudenten eine aktive, gattungsübergreifende und gesellschaftliche Prozesse mitbestimmende Kunst fördern und präsentieren wollte, die bald in der „Galerie Aachen“ in der Wallstr. 67 gezeigt wurde und in der Hochschule, woraus die legendäre Auftaktveranstaltung „Festival der Neuen Kunst 20. Juli 1964“ entstand.
Spät erst merkten alle Beteiligten, dass es der Jahrestag des Hitlerattentats war, was dann auch Thema wurde und die Politisierung und Eskalation vorantrieb.
Die Verknüpfung von Präsentation und Diskussion nahm einen geregelteren Rahmen an, als sich Kunstschaffende wie der Künstler Benno Werth, der Journalist Klaus Honnef und der Galerist Will Kranenpohl zusammentaten und letztere 1968 das „Zentrum für aktuelle Kunst – Gegenverkehr“ in der Theaterstraße 50 in einem Ladenlokal gründeten. Interessenten und Sponsoren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur machten nicht nur Ausstellungen mit aufwändigen Katalogen, die alle aktuellen Kunstströmungen erfassten, möglich, sondern schufen mit Bar, Filmvorführungen, Musikdarbietungen und Lesungen einen Ort intensiven Lebensgefühls, einen Avantgarde-Treffpunkt, dessen Bedeutung weit über die Stadtgrenzen hinausreichte. Etwas zwischen „Raststätte“ und NAK. 1972 endete dieses Projekt, weil Klaus Honnef Aachen verließ und weil mit der Galerie Ludwig ab 1970 eine konkurrierende Spielstätte aktueller Kunst entstanden war. Das Sammlerehepaar Ludwig, daß 1959 den Ausflug in die Moderne mit einem Bild von Karl Hofer begann, trat 1968 mit den Neuerwerbungen vor allem amerikanischer Kunst im Suermondt-Museum Aachen an die Öffentlichkeit. Provokative Pop-Art, Hyperrealismus und Konzeptkunst, die später kunstgeschichtlichen Ruhm erlangten, die allerdings z.B. Paul Wember in Krefeld und Johannes Cladders in Mönchengladbach schon viel früher unterstützt hatten. Die schnell wachsende Sammlung wurde schon 1970 in der neueröffneten „Neuen Galerie“, protomuseal präsentiert. Für damalige Verhältnisse ein rasanter Schritt vom Atelier in die Weihe einer öffentlichen Räumlichkeit.
Diese besondere Form der Sammlung und Protegierung zeitgenössischer Kunst wurde eigenständig ergänzt durch ein Ausstellungsprogramm von Direktor Wolfgang Becker, der mit einer entgrenzten Aktionskunst, Performance und neuer Medienkunst auf Künstler reagierte, die keine noch im klassischen Sinne ausstellbaren Werke mehr produzierten. „Rund 150 bedeutende Kunstwerke und viele Dokumente veranschaulichen die vier entscheidenden Etappen und belegen eine überraschend progressive kulturelle Gemengelage, die sich Anfang der 1960er Jahre in Aachen entwickelte und maßgeblich auch für die rheinische Kunstszene wurde.
Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Film, Performance, Vortrag, Musik, Führungen sowie Gesprächsrunden mit Zeitzeugen wird geboten Diskutabel dürfte das alles noch immer sein, wenn auch Gewöhnungseffekte eingetreten sind. ///dito
22.10. - 5.2.,
Eröffnung 21.10. 20 Uhr
„Nie wieder störungsfrei! Avantgarde seit 1964“
Ludwig Forum für Internationale Kunst
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